Leuchttürme
Hören Sie den Lyngviger Leuchtturm, wenn er über das Leben als Leuchtturm erzählt!
Der Lyngviger Leuchtturm
Der Leuchtturm von Lyngvig ist der jüngste von Dänemarks großen Leuchttürmen. Das Licht erstrahlte am 3. November 1906 zum ersten Mal. Der Turm steht auf einer 17 m hohen Sanddüne und mit 38 m Höhe (228 Stufen) liegt das Leuchtfeuer 55 m über dem Meer, was in Dänemark Rekord ist. Das Licht kann man etwa 40 km weit sehen.
Am Anfang wurde der Leuchtturm mit Gas betrieben, das aus einer kleinen Gasanlage in einem Schuppen neben dem Turm kam. 1920 ging man zu Petroleum über und 1946 erhielt der Leuchtturm ein kleines Gleichstromkraftwerk. Seither wird der Leuchtturm elektrisch betrieben. 1955 wurde der Leuchtturm dann an das öffentliche Stromnetz angeschlossen und 1965 automatisiert, sodass man die feste Besatzung von drei auf eine Person reduzieren konnte.
Die moderne Seefahrt braucht keine Leuchttürme mehr und der Leuchtturm von Lyngvig ist heute nicht mehr besetzt. 2011 wurde die schöne alte drehende Linse durch eine feste LED-Leuchte ersetzt. 2013 gelang es jedoch lokalen Kräften, dass der Leuchtturm sein charakteristisches über das Meer und Land huschende Licht wieder bekam.
Der Leuchtturm von Lyngvig wird jährlich von mehr als 50 000 Menschen besucht, die einen spektakulären Blick über Meer, Fjord und Dünen erleben.
„Avona“ aus Bergen
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch 125 km Küste zwischen Bovbjerg und Blåvands Huk, wo die Schiffe ohne Hilfe von Land auskommen mussten. Zahlreiche Schiffe strandeten.
Der Dampfer S/S „Avona“ aus Bergen war 1903 mit einer Ladung Presskuchen von New Orleans nach Aarhus unterwegs. Da der Kapitän auf der Reise über den Atlantik gestorben war, lag die Verantwortung für das Schiff jetzt beim Steuermann. Es strandete bei Bjerghuse zwischen Ringkøbing und Thorsminde am 31. Januar 1903. Die 24 Männer an Bord machten den größten aller Fehler: Sie gingen in die Rettungsboote des Schiffes.
Ein Augenzeuge erzählt:
„Jeder am Strand, Zuschauer und Rettungsmänner, folgten den Lichtern draußen vor dem Strand, aber dann ganz plötzlich hörten wir einen Schrei von dort draußen, und die Lichter verschwanden und alles war wieder still, unheimlich still. Offenbar kenterten die Boote bei der hohen See und alle an Bord wurden ins Meer gespült. Wir standen dort und wurden seltsam ruhig, weil wir fühlten, dass jetzt da draußen ein Kampf um das eigene Leben stattfand, nur ein paar Meter von uns entfernt, und wir waren nicht in der Lage, ihnen zu helfen."
Später in der Nacht lief das Schiff weiter auf die Küste zu, bis es nur 50 m vom Ufer entfernt stand. Wäre die Besatzung an Bord geblieben, hätte man sie jetzt ohne Probleme retten können. Stattdessen trieben sie mit ihrem Schiff in der selben Stunde tot an den Strand.
Nach der tragischen Strandung wandte sich die norwegische Regierung und der norwegische Verband der Seeleute mit der Bitte an Dänemark, einen weiteren Leuchtturm an der Westküste zu bauen. Der Aufforderung kam man nach. Das Ergebnis war der Leuchtturm von Lyngvig.
Keine „Kaviar-Karte“ mehr
Am 30. Dezember 1906 brachte die Zeitschrift „Familie Journalen“ in ihrer Rubrik „Neues aus aller Welt“ (im Original: „Nyt fra alle Lande“) einen Artikel über den neuen Leuchtturm von Lyngvig, geschrieben von einem Autor namens „Sailor“:
„Die Zeiten sind längst vorbei, in denen die Deutschen mit gutem Grund eine „Kaviar-Karte“ über Nordjütland als Werbung für den neuen Nord-Ostsee-Kanal zeichnen konnten. Strandungen wird es natürlich immer an so einer langen und gefährlichen Küste wie der dänischen von Blåvandshuk bis Skagens Gren geben, aber selbst wenn nicht genau Buch über jedes Auflaufen geführt würde, würden die Flecken glücklicherweise weiter verteilt liegen und einen Gegensatz zu der berüchtigten Kaviar-Karte darstellen, auf der die gesamte Küstenstrecke von einem unheimlich breiten Gürtel dicht liegender schwarzer Punkte eingerahmt war. (...) Anfang November wurde das Licht eines neuen, stolzen Leuchtturms an der Westküste entzündet, der mächtige blinkende Leuchtturm bei Nørre Lyngvig auf der Düne Holmsland Klit nur eine Meile von Ringkøbing entfernt. Der Leuchtturm ist nach den neuesten und modernsten Prinzipien gebaut und blinkt alle 20 Sekunden 4 Mal kräftig über das Meer. Ganz bis unten nach Esbjerg kann man in klaren Nächten „Nørre Lyngvig“ sein hastiges „Gib acht!“ blinken sehen, und in der Stadt Ringkøbing spürt man das Blinken wie mächtige Blitze."
Die „Kaviar-Karte“, auf die Sailor hinweist, ist J. S. Hohlenbergs Karte über Strandungen an den dänischen Küsten vom 1. Januar 1858 bis zum 31. Dezember 1882, wo ein Band aus schwarzen Punkten entlang der Westküste Jütlands Totalverluste anzeigt.
Der Hafen von Ringkøbing
Vor dem Bau der Häfen in Esbjerg, Hvide Sande, Thyborøn und Hanstholm war Ringkøbing der einzige Ort an der ganzen langen Westküste, wo Schifffahrt möglich war. Aber die Bedingungen waren schwierig. Die Einfahrt bei Nymindegab war eng, das Wasser im Ringkøbing Fjord niedrig und vor Ringkøbing mussten die Schiffe auf Reede liegen und die Ladung musste man auf kleinere Boote verladen, die den Strand oder einen bescheidenen Kai anliefen.
Erst als der Leuchtturm von Lyngvig auf dem Reißbrett entstand, wurde mit dem Bau eines richtigen Hafens in Ringkøbing begonnen. Die Baustoffe für den großen Turm transportierte man nach Ringkøbing mit der Eisenbahn. Von dort wurden sie per Boot nach Nørre Lyngvig gefahren, wo man ebenfalls einen kleinen Hafen anlegte.
Der Bau des Hafens von Ringkøbing wurde im Dezember 1904 ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt S. Abrahamsen aus Esbjerg. Am 17. November 1905 konnte der Betrieb im Hafen aufgenommen werden.
Nach der Fertigstellung des Lyngviger Leuchtturm bestanden die Häfen selbstverständlich weiterhin. Eine Gruppe von vorausschauenden Männern in Ringkøbing mit Uhrmacher L. C. Andersen an der Spitze sahen in ihnen ein Potenzial. Im Jahre 1910 nahm der Touristendampfer den Fährbetrieb zwischen Ringkøbing und Nørre Lyngvig auf. Es wurde ein großer Erfolg. Schon 1911 zählte man 16 000 Passagiere. Auf diese Weise trug der Leuchtturm von Lyngvig dazu bei, das der Tourismus am Ringkøbing Fjord begann.
Tolle Aussicht und Tourismus
Die Touristen freuen sich über eine tolle Aussicht. So war das schon immer.
Der Leuchtturm von Lyngvig war von Anfang an für Besucher zugänglich. In den ersten Jahren kostete der Eintritt 25 Öre. Das war eine Menge Geld. Zugleich gab es die feste Regel, dass die Besucher nur Zugang in Begleitung eines Mitarbeiters erhielten. Denn der Lichtkegel des Leuchtturms entschied über Leben und Tod. Daher konnte man die Gäste in der Nähe der Gasleitungen, Gewichte und Mechanik des Turms nicht unbeaufsichtigt lassen.
Das Foto zeigt eine Urlaubsgesellschaft aus Mitarbeitern der dänischen Staatsbahnen, die im August 1928 an der Nordsee waren. Die Urlauber wohnten im Badehotel von Søndervig. Einer der organisierten Ausflüge fürte mit Autos und Bussen zum Lyngviger Leuchtturm und nach Hvide Sande. Die Familie Rybak aus Slagelse (auf Seeland) war mit dabei. Ihre Fotoalben befinden sich jetzt im Ringkøbing-Skjern Museum. Das Foto wurde von der Treppe des Leuchtturms in Richtung Wohnhaus des Leuchtturmwärters gemacht.
Bis zur Automatisierung des Leuchtturms 1965 hatte Leuchtturmwärter E. Nedergaard seinen Platz in dem kleinen Büroraum oben im Turm. Er selbst sagte, dass er die vielen Touristen so gerne hatte, wie die Katze den Senf, aber er zeigte sich trotzdem stets freundlich und jovial. Es war nun mal Teil seines Jobs. Zu den durch den Aufstieg außer Atem gekommenen Touristen sagte er: „Bekommen Sie keine Luft mehr? Dann gehen Sie raus auf den Balkon. Dort gibt es genug davon.“ Und zu den Vollbärtigen sagte der: „Nehmen Sie den Hub ab und stecken Sie ihn in Ihre Tasche, bevor Sie raus in den Wind gehen, aber ihren Bart dürfen Sie anbehalten. Denn heute haben wir nur Windstärke sieben.“
Heute kann man hinaufsteigen zu der phantastischen Aussicht, ohne sich flotte Sprüche anzuhören. Das Ticket ist im ehemaligen Wohnhaus des Leuchtturmwärters (Fyrmestergården) erhältlich, wo es auch Ausstellungen über den Leuchtturm, die Strandungen und das Badeleben gibt.
Das Leben auf dem Lyngviger Leuchtturm
„Hier draußen gibt es nur dich und dich allein.“ So erzählte es der letzte Leuchtturmwärter Flemming Jørgensen Priis 2004. Der Leuchtturm von Lyngvig war seit jeher ein bisschen wie eine Insel auf Holmsland Klit. In einer Welt aus Meer und Fjord, Fischern und Bauern waren die staatlichen Beamten mit ihrer goldbestickten Schirmmützen ein Kontrast.
Obgleich die kulturelle Distanz zu Hvide Sande groß schien (es liegen nur 5 km dazwischen), war der tatsächliche Abstand zu den übrigen Einrichtungen und Infrastrukturen des Staates doch erheblich länger. Daher mussten die Leute auf dem Leuchtturm fast alles selbst erledigen, sowohl den Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs als auch Wartung und Betrieb des Leuchtturms. Als Angestellter des Leuchtturms von Lyngvig hatte man Kondensation abzutrocknen und die Linse zu putzen, aber auch von der Mechanik musste man Ahnung haben. Probleme am Leuchtturm mussten im Idealfall vor Einbruch der Dunkelheit gelöst werden.
Poul Erik Jørgensen, der von 1957 bis 1988 im Leuchtturm beschäftigt war, gewann mit der Zeit auch das Vertrauen der Einheimischen. In Hvide Sande meinte man zwar, dass „die vom Leuchtturm lieber unter sich blieben. Sie hielten sich für etwas Besseres. Und niemand mischte sich unter die Einheimischen. Aber nach gut 20 Jahren begannen sie mich doch bei meinem Vornamen Poul zu nennen. Das war ein Fortschritt, zuvor nannten sie mich stets Jørgensen. Etwas später nannten sie mich Poul Leuchtturm – und einige „Da ist der Leuchtturm“ – aber es hat auch einige Jahre gedauert.“
Der Zweite Weltkrieg
Leuchttürme spielten eine ganz besondere Rolle in den letzten dramatischen Jahren der Besatzung, in denen Flugzeuge der Alliierten auf Missionen über Dänemark mit Bomben, Seeminen und Versorgungsgütern für den Widerstand die Leuchttürme als Landmarken nutzten.
Als die Briten am 21. März 1945 die Gestapo-Zentrale im Shell-Haus in Kopenhagen bombardierten, flogen die tieffliegenden schnellen Flugzeuge vom Typ Mosquito und Mustang beim Leuchtturm Lyngvig ein. In Kopenhagen zerstörten sie wie geplant das Shell-Haus, aber trafen versehentlich auch die Französische Schule, in der 104 Zivilisten starben.
Der Mustang des australischen Kampfpiloten Robert C. Hamilton wurde vom Flakfeuer an einem Flügel getroffen. Er konnte der Formation zurück nach Westen folgen, aber er verlor Öl und konnte nicht den Flug zurück über die nach wie vor winterkalte Nordsee antreten. Er machte eine Notlandung im breiten Delta des Flüsschens Skjern Å bei Lønborg nur 30 km von Nørre Lyngvig entfernt, wo er nur kurze Zeit zuvor eingeflogen war.
Hamilton überlebte, und auch der Leuchtturm von Lyngvig erlitt keinen Schaden. Es hätte anders ausgehen können. Die deutsche Besatzungsmacht wusste, dass sich Piloten am Lyngviger Leuchtturm orientierten, und gegen Ende des Krieges ordnete sie an, eine Sprengladung im Leuchtturm anzubringen. Leuchtturmwärter E. Nedergaard ließ die Familien aus den anliegenden Wohnungen am Leuchtturm evakuieren, aber zum Glück wurde der Befehl zur Sprengung nie gegeben.
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