Rettungswesen
Das nordjütländische Rettungswesen wurde 1852 per Gesetz gegründet. Es war das erste dänische Gesetz, das zum Ziel hatte, aktiv Menschen aus Seenot zu retten, die sich noch an Bord eines verunglückten Schiffs befanden.
Christopher Berent Claudi
Eine zentrale Person beim Aufbau des nordjütländische Rettungswesen war der Strandungskommissionär Christopher Berent Claudi (1799-1880). Claudi war in Lemvig aufgewachsen. Mit 25 Jahren wurde er Strandaufseher und erhielt wenige Jahre später eine Konzession als staatlich geprüfter Dolmetscher für Englisch und Deutsch.
Aus seiner Tätigkeit wusste er, wie wenige Möglichkeiten die Küstenbewohner hatten, bei einer Strandung in Not geratenen zu helfen. Darum reiste er auf eigne Faust nach England, um zu sehen, wie das Rettungswesen dort arbeitete.
Claudis Arbeit für die Seenotrettung trug mit dazu bei, dass König Christian VIII. im Jahr 1847 5.000 Reichstaler bewilligte, um Raketenapparate, Schwimmgürtel, ein Rettungsboot, Zeichnungen und Modelle sowie einen Mörser anzuschaffen. Im selben Jahr wurden zwei Rettungsstationen auf Versuchsbasis in der Nähe von Claudis Wohnort am Ferring Sø eingerichtet: Tuskær bei Fjaltring und Flyvholm auf der Harboøre Tange.
1852 wurde C.B. Claudi zum Leiter des Nordjütländische Rettungswesen ernannt. Zu der Zeit gab es 19 Rettungsstationen an der jütländischen Westküste, von Skagen im Norden bis Blåvand im Süden.
J.S. HOHLENBERGS KARTE
Ausschnitt aus J.S. Hohlenbergs Karte der Strandungen an Dänemarks Küsten, vom 1. Januar 1858 bis zum 31. Dezember 1882. Die schwarzen Punkte kennzeichnen Totalverluste, die weißen Punkte stehen für auf Grund gelaufene Segelschiffe.
Die Rettungsstationen
Mit dem zunehmenden Ausbau des nordjütländischen Rettungswesens bildeten die Rettungsstationen ein engmaschiges Sicherheitsnetz. Die Stationen wurden nach Bedarf platziert und mit Rettern aus der Nachbarschaft bemannt.
Es gab zwei Arten von Rettungsstationen: Bootsstationen und Raketenstationen. Wo die Bevölkerungsdichte für die Bemannung eines Rettungsbootes nicht ausreichte, wurde eine Raketenstation eingerichtet. Ansonsten waren Wetter, Wind und die Entfernung des Schiffs vom Strand entscheidend dafür, ob Raketenapparat und Hosenboje oder Rettungsboot zum Einsatz kamen.
Rettungsboote
Die Rettungsboote wurden auf der Orlogsværftet (Marinewerft) in Kopenhagen gebaut.
Sie waren mit Luftkästen aus verzinktem Kupferblech ausgerüstet, die sie unsinkbar machten. Acht selbstlenzende Ventile im Boden leiteten das Wasser wieder aus dem Boot. Ein Rettungsboot wog ca. 850 kg, voll ausgerüstet ca. 1.750 kg.
Der Dienst im Rettungswesen war ehrenvoll, aber nicht ungefährlich. Ein Platz im Rettungsboot setzte voraus, dass man widerstandsfähig und ausdauernd war. Die meisten Strandungen ereigneten sich in Herbst und Winter. Rettungseinsätze konnten stunden, ja Tage dauern, in denen die Bekleidung durchweichte und die Männer unterkühlt wurden.
Hinzu kam die eigentliche Arbeit mit dem Rettungsboot. Beim Rudern durch die Brandung, um in Seenot geratene Menschen von einem Schiff an Land zu holen, riskierten die Rettungsleute oft ihr eigenes Leben. 1897 kam die gesamte Mannschaft der Nachbarstation Liløre bei einem Rettungseinsatz ums Leben.
Der Raketenapparat
Der Raketenapparat sollte die Verbindung zwischen der Rettungsmannschaft an Land und der Besatzung des Havaristen herstellen.
Zuerst stellte die Rettungsmannschaft ein Raketenstativ am Strand auf. Das Stativ wurde möglichst nahe ans Wasser gestellt. Der Kasten mit der Raketenleine stand weiter hinten, damit er nicht nass wurde.
In der Stabilisatorstange der Rettungsrakete war ein Stahldraht befestigt, an den die Raketenleine gebunden wurde. Dann wurde die Rakete auf eine schräge Rutsche, auf dem Raketenstativ, gelegt. Die Neigung dieser Rutsche, der Abschussrampe der Rakete, konnte je nach Entfernung des Schiffs von der Küste eingerichtet werden. Damit die Besatzung die Leine zu fassen bekam, musste die Rakete am besten rechtwinklig über das Schiff fliegen, sodass die Leine mitten aufs Schiff fiel.
Wenn die Besatzung die Leine gefangen hatte, banden die Retter einen Block mit Ausholleine an ihr Ende der Raketenleine. Danach wurde der Schiffsbesatzung signalisiert, dass sie die Leine einholen sollte.
Mit dem Block wurde eine Anleitungstafel geschickt, die der Besatzung erklärte, dass der Block mit der Ausholleine an einem möglichst hohen Punkt des Schiffs zu befestigen sei. Um sicherzustellen, dass die Seeleute richtig verstanden, hatten die Retter Anleitungstafeln in mehreren Sprachen dabei.
Nachdem der Block am Schiff befestigt war, banden die Retter die kräftige Rettungstrosse an der einen Seite der Ausholleine fest, ein Stück von deren Ende entfernt. Durch Ziehen am anderen Leinenende war es nun möglich, die Trosse zum Schiff hinaus zu ziehen. Die Rettungstrosse konnte Entfernungen bis zu 400 m überbrücken und wurde zwischen dem Schiff und einem Gestell am Strand gespannt gehalten.
Nachdem die Besatzung die Rettungstrosse am Schiff befestigt hatte, banden die Retter beide Enden der Ausholleine an die Hosenboje. Die konnte nun zwischen dem Strand und dem havarierten Schiff hin und her gezogen werden. In der Hosenboje konnte immer nur eine Person sitzen.
Stationsvormann, Bootsführer und Bootsleute
Jede Bootsstation hatte eine feste Mannschaft. Der Stationsvormann trug die Verantwortung für Geräte und Einsätze und berichtete dem Leiter des Rettungswesens.
Hauptaufgabe der Bootsleute war, das Rettungsboot zu rudern. Sie wählten aus ihrer Mitte einen Bootsführer, der bei Rettungseinsätzen die uneingeschränkte Weisungsbefugnis hatte.
Die Mannschaft war verpflichtet, immer zur Verfügung zu stehen. Hielt sich ein Bootsmann länger als 24 Std. außerhalb des Kirchensprengels auf, musste ein Ablöser gefunden werden.
Üblicherweise waren die Bootsleute Fischer und also gewohnt, ein Boot von der offenen Küste aus ins Wasser zu bringen. Sie erhielten einen festen Monatslohn und dazu Bezahlung für Übungen und Einsätze. Bei besonders anstrengenden Einsätzen kamen noch Sonderzahlungen hinzu. Viele Retter wurden zudem mit Medaillen für ihren Einsatz ausgezeichnet.
Sicherheit
An den Rettungsstationen wurden regelmäßig Übungen abgehalten, bei denen die Mannschaften den Umgang mit Rettungsboot und Raketenapparat trainierten. Außerdem war der Stationsvormann dafür verantwortlich, dass die Bootsleute Rettungsgürtel aus Kork trugen. Diese Gürtel wurden in den 1920er Jahren durch Rettungswesten mit Kapok ersetzt, die mehr Auftrieb boten und komfortabler waren.
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